Polarkreis und Stadtbummel

Häfen:

Bodø 02:00 04:00

Ørnes 07:00 07:15

Nesna 11:00 11:15

Sandnessjøen 12:30 13:30

Brønnøysund 16:15 17:00

Rørvik 20:30 21:30

Bodø liefen wir nachts an, von uns nahezu unbemerkt. Nur kurz wachte ich auf, weil die Schaukelei aufhörte. Schnell gingen die Äuglein wieder zu. Was soll man auch zwischen zwei und vier Uhr in Bodø? Da wollten wir lieber fit sein, falls es ein schöner Tag würde, um die tolle Landschaft abzulichten.

So stand ich 6:30 Uhr wieder auf Deck 5 und machte noch vor dem Frühstück die ersten Fotos von der schönen Landschaft um Ørnes. Ich stand nicht allein da! Das Fachsimpeln mit den anderen Hobbyfotografen trug Früchte und die Bilder meiner Mitreisenden wurden stets besser. Und auch ich wurde nicht dümmer, fand mich zunehmend in der der Vielfalt der Kompaktkameras zurecht. Und obwohl wir das Frühstück etwas ausdehnten, war unser Grüppchen schon bald wieder am Heck des Decks 5 versammelt. Die Wintersonne schien und präsentierte die Küste in ihrer vollendeten Schönheit. Unsere Motivsucher ohne Kamera hatten genug zu tun, uns Knipser die schönsten Motive zu zeigen. Konkurrenz gab es bei uns nicht, denn es ist auch stets eine Freude, ein schönes Motiv mit anderen zu teilen und vor allem, dessen Umsetzung bei den anderen zu vergleichen. Und es geschah nicht selten, dass man anschließend das Motiv nochmals unter die Lupe nahm. Das nenne ich mal schöpferische Arbeit.

Voller Hoffnung erwarteten wir die Bergwelt „Sieben Schwestern“. Die Sieben Schwestern ist eine Bergformation aus sieben Bergen in Norwegen. Sie erstrecken sich von Norden nach Süden auf der Insel Alsten südlich von Sandnessjøen. Der Sage nach sollen es sieben Jungfrauen gewesen sein, die sich nach einer Verfolgung durch den König Hestmannen erschöpft niederwarfen. Bei Sonnenaufgang erstarrten sie dann zu Stein. Also, weglaufen konnten sie nicht.

Den Polarkreis jedenfalls erreichten wir um 9:31 Uhr bei guter Sicht. Anschließend gab es auf dem Sonnendeck wieder eine Polartaufe, diesmal jedoch eine kleinere Ausgabe, schließlich war jetzt jeder schon einmal über die unsichtbare Linie gefahren und Neptun alias Njord brauchte nicht mehr zu erscheinen. Statt Eiswasser in den Nacken musste jeder einen Löffel voll Lebertran schlucken. Der Löffel hatte am Stielende die Form eines Fischschwanzes und war ein schönes Souvenir. Und Lebertran war ich seit meiner Kindheit gewöhnt, also nichts Neues.

Der Stadtrundgang in Sandnessjøen verlief noch einigermaßen geordnet, obwohl die Lichtbedingungen zum Fotografieren schon suboptimal waren. Doch der aufziehende Nebel nach dem Mittagessen raubte uns jede Hoffnung, die Schwestern bei Sonnenlicht abzulichten. Unsere Vermutung wurde per Lautsprecher von unserer Reiseleiterin Mette bestätigt, die uns versicherte, dass backbordseits zwar die Sieben Schwestern liegen, sich aber außerhalb unseres Sichtfeldes befanden. Zwar murrten einige Touristen herum, aber gegen das Wetter kommt auch der deutsche Tourist nicht an. Ob es dafür Reiseminderung gibt? Ich bezweifle dies. So schauten wir uns kurzentschlossen den Film „Norwegen und Helgeland“ . Es drehte sich um die südlichste Region von Nordnorwegen, das Gebiet um Rørvik . Er wurde in Deutsch, Norwegisch und Englisch ausgestrahlt, wir kamen gerade noch zur rechten Zeit. So schön wie der Film war, den Anblick der Sieben Schwestern ersetzte er nicht. Anschließend besetzten wir wieder Deck 5, erzählten mit unseren Reisebekanntschaften und nutzten die hellen Momente zum Fotografieren und Filmen. Natürlich kam der Spaß auch nicht zu kurz und wir lachten sehr oft da hinten. Außerdem kommentierten wir auch das „Wandern“ der Bordbesatzung, die ihre planmäßigen Runden drehten. Sie mussten an uns vorbei, denn das Deck 5 ist das einzige Deck, welches ohne Türen umrundet werden kann.

Den kurzen Aufenthalt in Brønnøysund – 45 Minuten – nutzten wir zu einem kleinen Spaziergang. Es lohnte sich auch, denn in einer Boutique erwarben wir drei Kapuzenjacken für 98 NOK. Das waren umgerechnet 13 Euro, also ein absolut toller Preis. Soviel zum Thema, Norwegen ist so teuer. Es gibt auch Schnäppchen, man muss sie nur finden.

Aber vielleicht klappt es noch mit dem berühmten Loch im Torghatten. Der Berg in der Nähe von Brønnøysund besitzt eine besondere geologische Form. In seiner Mitte hat er ein etwa 35 Meter hohes und rund 160 Meter langes Loch. Es entstand vermutlich durch Ausspülungen der Meeresbrandung, nachdem sich der Erdboden nach Abschmelzen der eiszeitlichen Gletscher angehoben hat. Laut Sage soll das Loch dadurch entstanden sein, als der Hestmannen auf der Jagd nach Lekamøya war, sie nicht erreichte und einen Pfeil abschoss. Dies beobachtete jedoch der König der Sømnaberge und warf seinen Hut in die Bahn des Pfeils. Dieser durchbohrte zwar den Hut, erreichte aber Lekamøya nicht. Natürlich gefiel uns die Sage viel besser als die wissenschaftliche Begründung. Aber im Leben werden sagen eben nur noch belächelt.

Aber auch diesmal hatte der Kapitän kein Einsehen. Der knurrige Norweger dachte nur an seine Uhr – und natürlich an unsere Sicherheit – und fuhr keinen Schlenker, das Loch war nicht zu sehen. Enttäuscht verstauten wir unsere Fotokameras und gingen zum Abendessen.

Es war der letzte Abend, an dem alle nochmals zusammen saßen. Denn für die Reisenden, die in Trondheim das Schiff verlassen, ist es der letzte Abend. Es gab Eistorte und das Personal, welches stets unerkannt in der Küche arbeitete, wurde den Reisenden vorgestellt. Es lag schon ein wenig Wehmut in der Gesellschaft.

In Rørvik nutzten wir die Chance, die Midnatsol zu besichtigen. Sie lag mit uns am gleichen Kai. Wir waren über die Modernität dieses großen Schiffs schon begeistert. Das war schon Kreuzfahrtniveau, weniger Fähre. Aber schließlich müssen sich die Hurtigruten im Sommer selber tragen, da heißt es, den anspruchsvollen und betuchten Gästen das entsprechende Ambiente zu bieten. Die Reisenden, die nur wegen der Natur kommen, werden weniger oder verfügen nicht über das nötige Kleingeld. Allerdings haben wir genügend auf unserer Reise kennen gelernt. Uns reicht der Luxus der Polarlys, aber wir haben schon kritische Stimmen gehört. Da kann ich nur sagen: Leute, sucht euch eben ein Luxusschiff. Hurtigrute ist eben Hurtigrute und im speziellen ist Norwegen nicht billig. Das kann man nicht mit Deutschland vergleichen.

Eigentlich wollten wir zeitiger ins Bett. Aber wie so oft auf dieser Fahrt, wir blieben wieder bei unseren Freunden hängen und schwatzten bis weit nach Mitternacht. Irgendwie hatten wir alle das Gefühl, jede Minute noch zu nutzen. In diesem Sinne – gute Nacht.