Auf dem Weg nach Naustflot (Hardanger)

2:00 Uhr in der Frühe erreichen wir Larvik. Das Abfertigen geschieht schleppend, alle Fahrzeuge müssen sich von vier Spuren auf zwei einordnen. Selbst die Norweger – sonst die Gelassenheit in Person – verlieren teilweise die Contenance und drängeln sich in die Zwischenräume, wenn sich eine Lücke auftut. Das Einordnen nach dem Reißverschlussprinzip kann aber nur funktionieren, wenn diese Regel auch von allen akzeptiert wird.  Sonst bleiben, wie heute Morgen erlebt, die Außenbahn auf der Strecke oder drängeln sich risikofreudig  in jeden sich öffnenden Freiraum. Und dies mit quietschenden Reifen und sofortiger erfolgter Notbremsung des Nachfolgers. Bloß nicht jetzt noch einen Unfall riskieren. Also abwarten, irgendwann müssen alle Fahrzeuge das Hafengebiet verlassen haben. Das geschah dann schneller als erwartet und das Navi führte uns aus Larvik hinaus. Allerdings war das Kartenmaterial doch nicht so aktuell, denn die neue Schnellstraße mit erlaubten, für Norwegen höchst ungewöhnlichen  100 km/h, war nicht eingezeichnet, wir fuhren sozusagen im Blindflug. Aber diese wunderschöne Straße war auch nicht zu verfehlen. Das Vergnügen war auch schnell vorbei und wir fanden uns auf der alten Straße wieder. Das Fahren auf den norwegischen Straßen ist wegen der zahlreichen Hügel und Kurven am Tag schon ein Erlebnis, in der Nacht waren jedoch alle  Sinne besonders gefragt. Über Porsgrunn, Skien, Selfjord,Røldal und Odda sollte unser Weg bis zum Fähranleger Brimnes führen. Gegen vier Uhr war jedoch Schluss mit der Aufmerksamkeit. In Ulefoss fuhren wir einen Rastplatz an und schlossen die Augen. Der Körper nahm sich seine Erholung und erst um 8 Uhr weckten uns die schönsten Sonnenstrahlen. Dass gegenüber eine Tankstelle lag, hatten wir in der Nacht nicht wahrgenommen. Und auch der Lärm bei normaler Betriebsamkeit hatte unsere Ruhe nicht beendet. Es war Klärchen, die es heute besonders gut meinte und uns wieder in das Leben zurückholte. Der Rastplatz war thematisch einem Nadelwehr nachempfunden und bis ins kleinste Detail nachgestellt. Eine Informationstafel informierte über die Funktionsweise und ein Kinderspielplatz lud auch die Kleinen zum Verweilen an. Eine schöne Idee, weil gleichzeitig auch Wissen über das Land Norwegen vermittelt wird. Gemütlich frühstücken, Waschen und um 9 Uhr ging es weiter Richtung Hardangerfjord. Besonders die Auffahrt zum Haukelifjeld ist jedes Mal eine Augenweide. Diesmal hielten wir an den Hütten am Haukeligrend an, um den Informationen  in den Reiseführern über die „Kitschbuden“ selber zu prüfen. Und sie hatten recht: Es wurde alles Mögliche angeboten, ähnlich wie bei uns auf den Wochenmärkten. Aber – es muss schließlich auch Käufer geben, sonst würden sich die Stände nicht halten. Wir nutzten die Gelegenheit, einen  Kaffee zu trinken und das Treiben zu verfolgen, die verschiedenen Nationen zu registrieren und den zunehmenden Verkehr zu beobachten. Schließlich stößt der Riksveg 9 (Rv 9) aus dem Setesdal auf unsere E 134, um dann Richtung Westen in das Fjordland zu führen. Wir schlossen uns dem Tross an, genossen die karge Landschaft der Hochebene, um dann bei Røldal vor dem Tunnel rechts auszuscheren. Die alte Røldalstraße ist für uns stets ein Muss. Serpentinenartig schraubt sie sich verwegen ins Fjell. Eng und mit den alten Begrenzungssteinen behaftet lässt sie das Verkehrsgefühl aufkommen, als sich vor dem Tunnelbau der ganze Straßenverkehr samt Bussen und LKW’s hier über den Gebirgszug quälte. Hier war Weit- und Umsicht vom Kraftfahrer gefordert, um vorausschauend die entsprechenden Ausweichbuchten zu nutzen. Und trotzdem gab es sicher genug schrittweises Vorbeitasten. Haben wir selber auf den engen Seitenstraßen in Norwegen erlebt, wenn urplötzlich aus dem Nichts Gegenverkehr auftauchte. Und dann kann man sich nicht in Luft auflösen, da müssen Kompromisse gefunden werden. Davon ist heute nichts mehr zu spüren, nur gelegentlich finden Touristen den Weg durch das Fjell. Einzig die überall streuenden Schafe freuen sich auf die Abwechslung und kommen neugierig an den Straßenrand oder stellen sich auch einmal quer zur Fahrtrichtung. Dann heißt es die „Verkehrshindernisse“ weglocken und langsam vorbeifädeln.  Leider begann es zu regnen, so dass wir uns, statt Fotoshooting und Rast bei exzellenter Aussicht, doch entschlossen, weiterzufahren. Aber die Røldalstraße nimmt es mit der Attraktivität auf mit den berühmteren Sognefjellvegen, Aurdalssnøvegen oder dem Gamle Strynfjellsvegen. Da wir alle schon bereisten, können wir uns auch ein Urteil erlauben. Rasant ging es dann ins Tal nach Skare, wo uns schon bald die Gischt des Låtefoss erwartete, die der Wind mit Macht über die Fahrbahn trieb. Trotz des gewaltigen Auflaufes an dieser schmalen Stelle, nutzten wir auch die Gelegenheit zu einem Zwischenstopp. Wir hatten Zeit und wollten noch die optimale Fotoposition erkunden. Denn den Zwillingswasserfall muss man in der Abendsonne ablichten, wenn die warme Strahlung das Wasser zärtlich umspielt. Dies war zum jetzigen Zeitpunkt undenkbar. Schwere Wolken verdunkelten das Firnament. Etwas belustigend das Gebaren zahlreicher Touristen, die an den glitschigen Steinen in den Fall kletterten und ein Foto a la „Ich und der Wasserfall“ schossen. Natürlich wird man dann nass. Und wenn der Fotograf nicht die richtige Einstellung findet, erscheint das Gesicht stets so dunkel, dass man gar nicht mehr erkennt, wer auf dem Foto steht. Da kann so ein Shooting etwas länger dauern und die Nässe nimmt zu. Und wenn sich dann nicht der Erfolg einstellt, ist die Dame wegen der Ungemütlichkeit vergnatzt und der Herr muss sich noch den Vorwurf gefallen lassen, keine ordentliche Kamera erworben zu haben. Daran liegt es aber größtenteils nicht, aber ein paar Grundkenntnisse über das Fotografieren sollte man schon haben, zumal, wenn man meinen gutgemeinten Hinweis, es mit dem Aufhellblitz zu versuchen, ignoriert. Nachdem wir uns  aus der engen Parklücke hinausmanövrierten – hier lauert stets die Gefahr „streunender“ Touristen, die wahrscheinlich befürchteten, dass der Wasserfall jeden Augenblick vollständig ohne Wasser dastand, noch bevor sie ihr eindrucksvollstes Bild getätigt hatten und deswegen ohne auf ihr Umfeld zu achten, schnurstracks den kürzesten Weg zum Foss suchten – ging es in Kolonne die enge Uferstraße nach Brimnes entlang. Das Überholen ist hier so gut wie ausgeschlossen und außerdem hatten wir Urlaub, so dass wir mit dem Tross mitfuhren. Einen Zwischenstopp hatten wir nochmals in Odda, dem großen Zentrum am Sørfjord, an der Touristeninformation, um noch ein paar regionale Prospekte einzusammeln. Die Stadt versucht ihr Image von einer schmucklosen Industrieansiedlung zur Wanderhochburg der Hardangervidda und dem Gletscher Folgefonn zu ändern. Dies scheint zu gelingen, denn es wimmelte im Zentrum an emsigen Hochgebirgswanderern, gut zu erkennen an den schweren Rucksäcken und der professionellen Bekleidung. Für uns auch amüsant die Vorgehensweise eines norwegischen Wohnmobiles. Die Parkplätze waren rar und äußerst begehrt, da in der Nähe ein Einkaufscenter lag. Da er mit seinem Gefährt längs in der Parkbucht so weit in die Zufahrtsstraße ragte, dass der Verkehr zum Erliegen kam, nutzte er die Abfahrt einiger Kunden, um sich quer über sechs Plätze zu stellen. Das war für die Suchenden, die den Parkplatz nach einer Lücke umkreisten, sicher ärgerlich, aber offenen Unmutsäußerungen blieben in typischer norwegischer Gelassenheit aus. Aber, es gehörte schon eine Portion Selbstvertrauen dazu, sein Mobil so einzuparken.
Gegen 17 Uhr erreichten wir Brimnes, die Fähren fahren im Wechsel zügig alle 20 Minuten. In den vier Jahren, die wir nicht in der Gegend waren, hatte sich der Fahrpreis auf 118 Kronen moderat erhöht. Eine andere Möglichkeit, das gegenüberliegende Bruravik zu erreichen, gibt es nicht. Noch bevor es dann durch den 7,5 km langen Vallaviktunnel nach Voss geht, biegen wir links nach Tjoflot ab, denn am Ende der 16 Kilometer langen engen Straße liegt in Naustflot unser Ferienhaus. Wir hatten uns für das „Gulhus“ – gelbe Haus -  wie 2008 entschieden. Es handelte sich um ein älteres Wohnhaus einer norwegischen Familie, die hier lange Zeit lebten und erst später als „Ferienhytta“ vermietet wurde. Entsprechend war die  Einrichtung einfach und zweckorientiert. Wir mochten und das Ambiente und außerdem hatten wir durch die höhere Lage einen einmaligen Ausblick auf den Hardangefjord. Uns gegenüber lag Utne. Die Familie Bjørg und Gunnar Kaland, unsere Vermieter, hatten noch drei weitere moderne Ferienhäuser direkt am Fjord, aber uns hatte das historische Gebäude in den Bann gezogen, schien die Geschichte im Holz tief verankert zu sein.
Bei unserer Ankunft kam auch gleich große Wiedersehensfreude auf, als wir uns als „Wiederholer“ outeten. Frau Kaland versprach auch, dass sich einiges verändert hätte. Neugierig musterten wir die Räume. Helle und große Fenster ermöglichten einen noch besseren Blick über den Fjord, die Einrichtung war modernisiert worden, das Feeling eines Wohnhauses aber erhalten geblieben. Wir waren uns sicher, wir würden uns hier genauso wohl fühlen, wie 2008. Nur, dass unser Falk nicht dabei war, der damals direkt am Wasser seiner Angelleidenschaft nachgegangen war, mit einigem Erfolg, wir hatten öfters Fisch in der Pfanne. 
Wir hatten gehofft, dass die neue Hardangerbrücke – wie 2008 angekündigt – 2012 nördlich von Kinsarvik den Fjord überspannt und so die Fährüberfahrt einspart. Die gewaltigen Pfeiler stehen auch schon, aber das große Hinweisschild gab jetzt als Eröffnung Juni 2013 an. Also waren wir ein Jahr zu früh. Auch ein Grund, wieder einmal in dieser schönen Gegend vorbeizuschauen.